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Eine Frau mit Islandpulli zwischen alten Fischhütten auf Island.

Alles über den Islandpulli

Wenn man an isländische Kleidungsstücke denkt, ploppt sofort der Islandpullover im Kopf auf. Diese dicken, muckeligen Pullis mit auffälligem Muster an der Brust und am Hals. Hier möchte ich dich auf eine Reise ins Lopapeysa-Universum mitnehmen und dir einiges über das isländische It-Piece erzählen.

Erstmal kurz vorweg: ich besitze inzwischen 6 oder 7 Islandpullis, von denen die meisten selbst gestrickt sind. Mein liebster Pulli davon kratzt, ist ein bisschen zu groß und hat schon seit kurz nach dem Kauf einen kleinen Kaffeefleck, von dem ich immer noch hoffe, er möge sich von selbst reinigen, was er nicht tut. Im Winter lebe ich in ihm und den anderen Islandpullovern, die sich über die Jahre bei mir angesammelt haben.

Der klassische Lopapeysa

Der Lopapeysa ist DER Islandpulli. Er wird traditionellerweise aus Schafwolle gestrickt und das in einem Stück, deshalb hat das Muster an Brust und Schultern auch keine Nähte. Seine Muster sind vielfältig und oft an die isländische Natur angelehnt (es gibt aber auch moderne Varianten). Seine besten Eigenschaften sind die, dass er ein bisschen wasserabweisend ist (durch den Wollmix, bei dem Ober- und Unterwolle der Schafe verwoben werden – die Oberwolle hat wasserabweisende Eigenschaften), richtig gut wärmt und bis an einen gewissen Punkt selbstreinigend ist (ich erinnere an den Kaffeefleck aus der Einleitung).

Lopapeysa kaufen

In Island kommt man am Islandpulli nicht drumherum. Es gibt ihn in fast jedem Souvenir-Shop und Modegeschäft (sehr teuer), in jedem Second-Hand Shop (gute Preise), bei der Hand-Knitting-Association (gute Preise) und ab und zu auch entlang der Ringstraße auf irgendwelchen Höfen (wahrscheinlich gute Preise) zu kaufen.

Wer es nicht nach Island schafft, um einen Pulli zu kaufen, kann einen der vielen Islandpulli-Shops online besuchen. Hier gibt es handgestrickte Islandpullis in allen Formen, Farben und Mustern.

→ Hier findest du Anlaufstellen für Islandpullis online, in Deutschland und in Island.

Islandpullover selbst stricken

Man kann seinen Lopapeysa auch selbst stricken. Ich habe das im Winter 2018 und er ist auch ganz gut geworden (nicht so perfekt wie von einer isländischen Omi aber dafür, dass ich keine Übung hatte, ist er echt gut). Mein Pulli war ein Adventskalender von Wollen Berlin, den es jetzt nicht mehr gibt. Dafür kann man bei Ruta die passende Wolle für den eigenen Pulli bestellen. Bei Ravelry (Registrierung ist erforderlich) gibt es allerhand Strickanleitungen für Islandpullis. Dort fällt mir die Auswahl so schrecklich schwer, dass ich echt froh war, dass mein Muster im Strickset vorgegeben war.

Klassische Islandpullover werden in einem Stück gestrickt. Meist von unten nach oben, es gibt auch Modelle, die von oben nach unten gestrickt werden. Durch diese Art zu stricken haben sie keine Nähte.

Ganz kurz gesagt: man strickt zunächst die Ärmel des Islandpullis und legt sie zur Seite, dann strickt man den Körper hoch bis zu den Achseln. Die Teile werden anschließend zusammengeführt und in der Rundpasse mit Muster weitergestrickt.

Klassische und moderne Muster

Das typische Muster zeigt sich insbesondere in der Rundpasse an Brust, Schultern und Hals, aber auch an den Säumen an der Hüfte und den Ärmeln.

Die klassischen Muster sind meist an die isländische Natur angelehnt. So findet man häufig Eiskristalle oder die isländische Rose. Inzwischen erfreuen sich die Isländer aber auch an modernen Mustern, wie Islandpferden, Papageientaucher oder einfach die Klassiker wie Riddari in bunten Farben.

Mit welcher Wolle wird gestrickt?

Es gibt verschiedene Wollsorten der Islandwolle. Die beliebtesten und meist-gestrickten sind Lettlopi und die dickere Álafosslopi. Das sind auch die beiden, die in Pullovern verstrickt werden. Für erfahrenere Stricker*innen gibt es außerdem Plötulopi, ungesponnene Islandwolle, die auf Platten aufgewickelt ist und in der Stärke selbst zusammengestellt werden kann (man kann mit einem, zwei, drei oder noch mehr Fäden stricken). Darüberhinaus gibt es noch das ganz dünne Einband Garn, das sich super für dünne Stricksachen oder als Beifaden zur Plötulopi eignet. Wer Socken aus Islandwolle stricken möchte, greift auf Hausband zurück, das ist die isländische Sockenwolle.

→ Hier findest du meine kurze, ganz allgemeine Anleitung & meine Erfahrungen zum Islandpulli stricken.

Was tun, wenn der Islandpulli kratzt?

Islandwolle ist gerade dann besonders kratzig, wenn der Pulli noch relativ neu und wenig getragen ist.

Wenn dein Islandpulli kratzt, empfehle ich, ihn von Hand mit lauwarmen Wasser und einem bisschen Haar-Spülung zu waschen. Das macht die Wolle etwas weicher. Natürlich sollte die Spülung nicht drin bleiben. Alternativ soll auch ein Schuss Essig im Wasch-Wasser gegen das Kratzen helfen, der Geruch sollte schnell verfliegen.

Nach dem Waschen drückst du das überschüssige Wasser ganz einfach in einem Handtuch aus und lässt ihn am besten im Liegen trocknen. Das geht ganz gut auf einem Wäscheständer, bei dem du dem Pulli ein Handtuch unterlegst, damit sich die Rillen nicht durchdrücken. Regelmäßiges Wenden & Handtuchwechseln nicht vergessen.

Mein ganz pragmatischer Tipp: Islandpullis werden weicher und weniger kratzig, je länger man sie trägt. Ich trage außerdem immer etwas unter dem Pulli, damit es nicht so kratzig ist.

Wie wäscht man einen Islandpullover?

Bei dieser Frage scheiden sich die Geister und wahrscheinlich gibt es keine Antwort. Fakt ist, du musst deinen Islandpulli nicht unbedingt waschen, weil die Wolle eine sich selbstreinigende Funktion hat und die Wolle nur sehr schwer Gerüche annimmt. Wenn er stark verschmutzt ist oder wenn du an einem Lagerfeuer gesessen hast, wirst du schnell feststellen, dass die internen Reinigungsfunktionen vom Islandpulli ihre Grenzen haben.

Also, wie wäscht man ihn am besten? Viele Leute schwören auf Handwäsche mit einem hochwertigen Wollwaschmittel mit Lanolin-Anteil.

Ich schmeiße meine Islandpullis in einen Kopfkissenbezug (jeder bekommt einen eigenen Bezug) und dann in die Waschmaschine. Natürlich kommen nicht alle gleichzeitig rein, damit die Waschmaschine nicht zu voll wird, eher nur 1-2 Pulli-Kopfkissenbezüge. Dazu benutze ich ein ziemlich durchschnittliches Wollwaschmittel aus dem Drogerie-Markt, nothing fancy. Gewaschen wird im Wollwaschprogramm und dann bis zum Ende gehofft, dass kein Kinderpullover aus der Maschine rauskommt.

Bisher ist keiner meiner Pullis eingelaufen oder ausgeleiert aus der Maschine gekommen, ich möchte dich aber warnen, dass das passieren kann! Wenn du Angst hast, dass du deinen Lieblingspullover in der Waschmaschine zerstören könntest, wasch ihn lieber von Hand.

Zum Trocknen lege ich meine Pullis immer auf ein Handtuch und drehe sie alle paar Stunden mal um, bzw. wechsle das Handtuch aus, wenn es zu feucht ist.

Wie ist der Islandpulli entstanden?

Ich sag mal so: es ist ziemlich naheliegend, dass Stricken in einem Land wie Island, wo es mehr Schafe als Menschen gibt, schon immer ein guter Zeitvertreib war. Das Strickhandwerk geht sogar bis ins 16. Jahrhundert zurück. Auch wenn sich über die Zeit die Garne ein wenig verändert haben, der Islandpullover war schon immer dick, robust und damit ideal an die isländischen Wetter- und Naturverhältnisse angepasst.

So wie wir den Lopapeysa heute kennen, ist er erst in den frühen 1900er Jahren entstanden. In dieser Zeit fingen die Frauen nämlich damit an, mit der Lopi-Wolle, wie wir sie heute auch noch kennen und stricken, zu experimentieren. Im Vergleich zu den alten Wollarten ist die „neue“ Lopi ungesponnen und damit viel leichter als die alten fest gesponnenen Garne aus dem 16. Jahrhundert. Für die neue Wolle wurden übrigens die zwei Fellarten des Islandschafs zusammengeführt und geben dem Islandpulli auch seine besonderen Eigenschaften. Þel heißt das wärmende Unterfell des Schafs, das dafür sorgt, dass wir in unseren Islandpullis nicht frieren. Tog ist die wasserresistente und isolierende Oberwolle, sie sorgt dafür, dass wir unsere Pullis in allen Wettern tragen können.

Die besten Eigenschaften des Islandpullis kann man unter atmungsaktiv, leicht und vor allem angenehm wärmend zusammenfassen. Und genau diese Eigenschaften machen ihn universell einsetzbar: einerseits ist er wasserabweisend (natürlich nicht bei Starkregen), andererseits wärmt er immer genau richtig und das selbst dann noch, wenn er feucht ist. Islandpullover sind extrem langlebig, absorbieren Schweiß, reinigen sich zu einem gewissen Grad selbst und sind leicht zu waschen. Kleine Knötchen können einfach abgeschnitten oder ausgekämmt werden. So sehen sie auch nach Jahren noch aus wie neu.

Ich persönlich trage meine Islandpullis gerne beim Wandern weil sie nicht zu warm und nicht zu kalt sind und den Wind abhalten. Außerdem nehmen sie ja eher schwer Gerüche an, das hat seinen Vorteil wenn man länger als einen Tag unterwegs ist.

Der erste moderne Lopapeysa

In einem Handarbeitsmagazin von 1923 findet sich der erste Nachweis über das Stricken mit der neuen Wolle. Dazu muss man sagen, dass es sich hierbei tatsächlich nur um das Stricken überhaupt handelte, die Muster, die den Islandpullover ausmachen, wurden erst viel später entwickelt.

Die Erfinderin der Muster-Passe ist übrigens unbekannt. Man geht davon aus, dass die Entwicklung der Passe über Jahre hinweg gedauert hat, Inspiration gab es von den traditionellen Mustern aus Schweden und den farbigen Rundpassen an Hals und Schultern der Kleidungsstücke aus Grönland. Trotz aller Einflüsse haben die Isländerinnen ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Der traditionelle Islandpullover grenzt sich nämlich durch seine Wolle und Strickart von den anderen nordischen Pullovern deutlich ab.

Ursprünglich wurden die Pullover übrigens ausschließlich in den natürlichen Farben des Islandschafs gestrickt. Dazu zählen weiß, grau, hell- und dunkelbraun, sowie schwarz. Diese Farben zählen auch heute noch als die „authentischen“ Farben vom Islandpullover. Inzwischen gibt es die Wolle in so vielen großartigen Färbungen, dass man auch richtig farbenfrohe Modelle stricken kann.

Der Unterschied zum Norwegerpulli

Ein anderer bekannter Vertreter der Muster-an-der-Brust Strickpullover aus den Norden sind Norwegerpullover. Im Gegensatz zum Isländer strickt man diese nicht in einem Stück, die Arme werden angesetzt oder es wird mit Raglan-Zunahmen gearbeitet. Außerdem sind ihre Muster meist viel feiner, weshalb die Pullis aus Norwegen auch aus dünnerer Wolle gestrickt werden. Ihre Muster unterscheiden sich aber auch in den Symbolen, typisch ist die Selburose, ein achtzackiger Stern. Rentiere und figürliche Darstellungen findet man auf Norwegerpullis oft. Ursprünglich waren die Muster zweifarbig, inzwischen gibt es viele Modelle auch in 3 Farben, aber bloß nicht mehr!

Norwegerpullover gibt es übrigens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, vielleicht haben die sich ja sogar an den Isländischen Modellen orientiert und ihnen den norwegischen Touch verliehen.

Die Symbolik des Islandpullovers

Man sagt, immer wenn es Island schlecht gehe, feiert der Lopapeysa eine Renaissance. Das liegt daran, dass man ihn seit jeher als Symbolbild der isländischen Identität sieht. In Krisenzeiten besinnt sich die isländische Bevölkerung auf ihre Wurzeln und damit werden auch die Pullis wieder aus dem Schrank geholt. Das war übrigens so nach der Unabhängigkeitserklärung Islands im 2. Weltkrieg oder nach der Bankenkrise 2008.

Aber der Lopapeysa wird nicht nur in schlechten Zeiten getragen, inzwischen sieht man in Island überall. Man trägt ihn zur Arbeit im Büro genauso wie auf dem Fischkutter oder bei der Arbeit mit den Pferden und Schafen. Im Winter zieht man einfach noch ein Sweatshirt drunter oder eine Jacke drüber.

Gerade da, wo viele Isländerinnen zusammenkommen, kann man den Pullover in allen Formen und Farben betrachten. Zum Beispiel auf isländischen Festivals wie dem Secret Solstice zur Mitternachtssonne oder zum Réttir, dem Viehabtrieb im Herbst.

Islandpullover sind auch über die Grenzen Islands hinaus sehr beliebt. War er in den 70ern noch DAS Kleidungsstück der Ökobewegung, findet man von ihm inspirierte Kleidungsstücke inzwischen sogar bei bekannten Fast-Fashion Ketten.

Weitere Formen des Islandpullis

Lange Zeit gab es den Lopapeysa tatsächlich nur als Pullover. Zum Glück kommt er heute auch in anderen Formen daher. Es gibt ihn als Kapuzenpulli, Pullunder, als Strickjacke und sogar als Kleid. Die Muster werden oft für Handschuhe und Mützen genutzt. Es gibt Pferdedecken, Hundemäntel und was ich komplett schräg finde: Weihnachtsbaumständer-Decken. Man sieht: der Islandpulli ist sehr vielfältig einsetzbar.

Alle lieben den Islandpulli

Heute erfreut sich das Stricken wieder großer Beliebtheit. Vor allem jüngere Isländerinnen und Isländer (Stricken ist in Island nicht nur ein Frauen-Hobby) greifen immer öfter zu den Nadeln. Statt daheim allein zu stricken, trifft man sich häufig in Strickclubs und -Gruppen um gemeinsam zu stricken, zu plauschen und sich gegenseitig zu helfen. Stricken ist meditativ, gesellig und perfekt für lange dunkle Abende, die man nicht mit Netflix verbringen möchte. Und gerade in Zeiten der Klimakatastrophe ist Stricken für viele Isländerinnen und Isländer ein nachhaltiger Weg, ein besseres und gesünderes Verhältnis zu den eigenen Kleidungsstücken zu gewinnen.

Aber nicht nur die Einheimischen finden ihre Lopapeysa toll: Er ist auch ein gern gekauftes Souvenir bei den vielen Touristen des Landes weil man ihn durch seine Wolle und Muster so stark mit Island verbindet. Aber Obacht! Durch die hohe Nachfrage haben einige Hersteller ihre Produktion nach Asien verlagert. Nicht besonders nachhaltig und auch nicht handgestrickt.